Homepage Rundbriefe / Infos Fotos Ansprechpartner Sabbatjahr und Friedensdienst Zeitungsartikel Links Archiv



Beit Noah - März bis Mai 1999

Als ich Ende Februar von Sibylle nach Beit Noah gebracht wurde, hatte sie selbst wenig Zeit und mußte gleich wieder zurück nach Jerusalem. Auch danach war sie in den ersten zwei Monaten anderweitig ausgelastet. Viele organisatorische Fragen , manche, die ich für selbstverständlich geklärt hielt, blieben dadurch offen.
Beit Noah war das Erdgeschoß eines Zweifamilienhauses, schön gelegen in einem Garten mit Olivenbäumen. Vom Flachdach hatte man einen weiten Blick ins Land, bei klarem Wetter bis zum Toten Meer und den jordanischen Bergen, man sah in Richtung Ölberg und die Jerusalemer Altstadt mit Erlöserkirche, El Aksa Moschee und Felsendom .

In der Drei-Raum-Wohnung lebten jetzt 5 junge Palästinenser, die alle das Studium beendet hatten und in einem Betrieb oder der Al Quds Universität beschäftigt waren. Zwei schliefen in der Veranda, drei in einem Zimmer, ein Zimmer war für mich, und Wohnzimmer, Küche und Bad standen uns allen zur Verfügung. Zunächst fiel es mir schwer, mit dieser ganz anderen Situation zurechtzukommen, und erschwerend war, daß auch eine Verständigung in englisch uns allen oft nicht leicht fiel und die vielen Freunde der jungen Männer, die zu Besuch kamen, teilweise kein Englisch verstanden. Und doch hatten wir gute Diskussionen, manche auch, die mir schwer fielen ... wenn ich Leuten begegnete, die sich für Hitler begeisterten, wenn die Palästinenser sich den Holocaust nicht vorstellen konnten oder fragten, warum dann - wenn sie doch wissen, wie schlimm Vertreibung ist - Juden Araber vertreiben. Oder warum die Deutschen den jüdischen Staat unterstützen, oft auch die Besetzung rechtfertigen, die Versuche der Palästinenser, um ihre Rechte zu kämpfen, als Ursache sehen und nicht als Reaktion und wegen der Terrorakte palästinensischer Extremisten glauben, sie alle seien Terroristen. Dann mußte ich vom Holocaust erzählen, wie wir, mein Volk, weggeschaut haben, und wie groß daher nach meiner Vorstellung die Angst in vielen Juden sitzt, verfolgt zu werden, und wie groß die Sehnsucht ist, endlich auch eine Heimat zu haben.

Ein wichtiges Anfangserlebnis, gleich in der ersten Woche meines Aufenthaltes, war der zweitägige Besuch bei einer palästinensischen Familie in Halhul, einem Vorort von Hebron. Ich war von Khalil eingeladen worden, der von 1994 bis 1998 während seines Studiums in Beit Noah gewohnt hatte und jetzt als Lehrer in Hebron arbeitet. Er wohnt bei seinen Eltern, einfache, arme Bauern, zusammen mit seinen 8 Geschwistern. Ich habe in diesen zwei Tagen palästinensischen Alltag erlebt, mit den Frauen Essen zubereitet, die schwere Arbeit der Männer zur Vorbereitung der Felder erlebt, mit den Kindern Spaß dran gehabt, ein paar Brocken arabisch zu lernen und Englisch zu lehren, und abends mit Khalil, seinen anderen erwachsenen Brüdern und einer Schar von Freunden, darunter auch ein Amerikaner des in Hebron tätigen "Christian Peacemaker Teams", zusammengesessen, mich noch immer in unsicherem Englisch verständigend.

Bei einem "Begrüßungsabend" in Beit Noah lernte ich Freunde des Hauses kennen. Dazu gehörte auch Marylene, eine gut deutsch sprechende Französin, die kurz vor den 6-Tagekrieg 1967 nach Bethanien gekommen war, um als Freiwillige des Christlichen Friedensdienstes in einem palästinensischen Kinderheim zu arbeiten, hier geblieben und inzwischen als Ruheständlerin hier lebt. Von ihr erhielt ich manchen Rat und auch die Palästinenser schätzten sie sehr. Von Ostern an hatten wir fast ständig Gäste im Haus - junge Deutsche, meine Mutter, Aleid, eine Holländerin, die früher hier Hausmutter gewesen war, eine Französin, Österreicher..

Ich begann, an Aktivitäten teilzunehmen, die von israelischen und palästinensischen Friedensgruppen organisiert waren, wie dem (illegalen) Wiederaufbau zerstörter Häuser und dem Stehen der Jerusalemer "Frauen in Schwarz" gegen die Okkupation Freitags 13 bis 14 Uhr an einem zentralen Platz in Westjerusalem, und Familien zu besuchen.

Ab Anfang Mai verbrachte Sibylle viel Zeit im Haus, und es wurden Spannungen deutlich, die mich überforderten. Ich war hierher gekommen in der Annahme, daß einige junge Palästinenser und Sibylle Unterstützung wünschen bei der Fortführung bestehender Aktivitäten und der Finanzierung in einem bis dahin von der französischen Arche-Bewegung getragenen Begegnungshaus, und fand dann ein Haus und Menschen vor ohne finanzielles und inhaltliches Konzept, beseelt von der Idee, zu zeigen, daß es möglich ist, friedlich miteinander zu leben, unabhängig von Nationalität, Geschlecht, Alter, Glauben, und mit der Erwartung an mich, daß ich sofort Aktivitäten in diesem Haus organisiere, und Geld oder Spenden habe, alle Kosten des Hauses zu finanzieren.
So habe ich versucht, mit ihnen eine gewisse Struktur in das Alltagsleben, die Organisation der Finanzierung und auch in die Ziele des Hauses zu bringen, und das möglicherweise in einer Art, die die anderen vor den Kopf gestoßen hat, weil ich mit der Mentalität der Palästinenser noch nicht genug vertraut war oder weil sich Sibylle "zurückgesetzt" fühlte. Während wir alle Ende April stolz waren, mit unserm Faltblatt und der Homepage eine Grundlage geschaffen zu haben, fühlte mich nun mehr und mehr nicht respektiert und mißverstanden, und Sibylle sagte mir deutlich, daß ich begreifen müsse, daß niemand meine Hilfe brauche. Die Spannungen zwischen ihr und mir wirkten sich auch auf die andern Hausbewohner und die Gäste aus. Deshalb verließ ich am 2. Juni das Haus.
Ich war nicht nach Palästina gegangen, um Streit zu säen. Ich fühlte mich krank und leer. Ich brauchte Zeit und Ruhe, meine Situation und meine Gedanken zu ordnen.


zurück zur Übersicht weiter



Spenden:
Ökumenischer Dienst im Konziliaren Prozeß e.V. (OeD)
Kt-Nr. 10 090 3736, BLZ 523 600 59 bei Waldecker Bank e.G.
Verwendungszweck: Beit Noah (bitte Absender für Spendenqittung fürs Finanzamt deutlich schreiben)


Design: Tobias Thiel zum Seitenanfang
Kritik/Anmerkungen