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Radebeul, den 10.9.99
Liebe Freunde, Viele von Euch wissen, daß ich Ende Februar für 1 Jahr zu einem Freiwilligen Friedensdienst nach Israel, in den besetzten Teil, die Westbank, gegangen bin. Einige erfahren es erst jetzt, durch diesen Brief. Ich habe ihn deshalb als Zusammenfassung "meiner Geschichte" geschrieben. Weil ich z.Zt. eine Sehnenscheidenentzündung im rechten Handgelenk habe, fällt es mir ungeheuer schwer, etwas handschriftliches zu verfassen. Bitte entschuldigt, daß ich also keinem einen persönlichen Gruß beifügen kann. In dieser Zeit, während ich im Ausland war, erlebtet Ihr mit, daß sich Deutschland an einem Krieg - im Kosovo - beteiligte. Auch ich habe im Fernsehen die Grausamkeiten zwischen Serben und Albaniern und die Massenvertreibungen erfahren. Und trotzdem: rechtfertigt das wirklich, daß von der NATO Bomben abgeworfen und Zivilisten getötet wurden? Mich hat besonders bedrückt, daß dieser Konflikt seit langem schwelte, aber die "Weltöffentlichkeit" erst, als es zu spät war und eine friedliche Konfliktlösung nicht mehr möglich, eingriff. Dasselbe jetzt wieder in Osttimor. Jetzt, wo Krieg ist in diesem Land, sollen "Friedenstruppen" eingeflogen werden, und wir sind aufgerufen, humanitäre Hilfe zu leisten für die Vertriebenen, die Schreckliches erlebt haben. Die Besetzung Osttimors erfolgte vor 25 Jahren. Wer hat sich bisher um diese Menschen gekümmert, darum, daß sie das Recht bekommen, in Freiheit zu leben? Welche "Friedenstruppen" sind "eingesetzt" worden, ihre Rechte vor den indonesischen Besatzern zu schützen? Und wir selbst? Schrecken wir nicht auch immer erst auf, wenn es "zu spät" ist, durch die Schreckensmeldungen und -Bilder im Fernsehen? Oder läßt es uns mittlerweile schon kalt - weil in so vielen Punkten der Welt Unfrieden ist und wir sowieso nicht überall helfen können? Ich hinterfrage das so scharf, weil ich mit der Westbank ein kleines Stück Land und Menschen kennengelernt habe, die eigentlich noch nie ohne "Besatzungsmacht" gelebt haben; nach dem osmanischen Reich kamen die Engländer, dann die Jordanier und seit 32 Jahren ist dieses Land von Israel besetzt. Keine dieser Besatzungsmächte hat sich um die strukturelle und wirtschaftliche Entwicklung dieses Landstriches gekümmert, so daß es ein armes 3.-Welt-Land geblieben ist - mit einer Jugend, die sehr interessiert ist an Bildung und hochqualifizierten Ingenieuren und Wissenschaftlern, von denen viele keine Arbeit haben oder irgendeiner Beschäftigung nachgehen, z. Bsp. als Taxifahrer, um ihr täglich Brot zu verdienen, ihre Familie ernähren zu können. Im Land ist kein Geld; Lehrer und Hochschulangestellte müssen manchmal monatelang auf ihr ohnehin nicht hohes Gehalt warten. Und dabei ist das Leben teuer - die Preise für Miete Lebensmittel, Kleidung und Möbel lassen sich im Durchschnitt mit denen in Deutschland vergleichen. Israelis haben in der Westbank viele israelische Siedlungen gebaut und das karge Land dort "zum blühen" gebracht; leider auf Kosten der Natur und der Einheimischen. Es sind moderne Städte mit allem Komfort, Swimmingpools und Blumenrabatten auf Plätzen und Straßen. Es sind zumeist "Schlafstädte". Die Siedlungen sind eingezäunt und bewacht; die Israelis fahren auf modernen Highways zur Arbeit nach Israel und kommen mit der armen palästinensischen Bevölkerung kaum in Berührung. Ich bin glücklich, daß ich auch das andere erleben konnte: Israelis, die diese Politik ihres Staates ablehnen, jüdische Frauen, die sagen, daß sie das, was sie für sich selbst beanspruchen, auch anderen zugestehen müssen und deshalb als "Frauen in schwarz" seit 11 Jahren regelmäßig gegen diese Okkupation demonstrieren, Soldaten, die den Wehrdienst in der Westbank verweigern und dafür ins Gefängnis gehen, Männer und Frauen, die das Unrecht, das geschieht, öffentlich machen, und durch die gegenseitige Achtung gewachsene Freundschaften zwischen jüdischen und palästinensischen Menschen. Was kann, will ich als Ausländerin dort? Viele Menschen in der Westbank haben das Gefühl, daß ihr Schicksal von der Welt nicht wahrgenommen wird, daß in der Weltöffentlichkeit nur die Terrorakte aus dem Widerstandskampf der PLO und heute der extremistischen HAMAS-Organisation bekannt sind und das, was Israelis tun, oft als Notwehr gerechtfertigt wird. Ich möchte durch mein DA sein, durch meine Bereitschaft, mit diesen Menschen unter ihren Bedingungen zu leben, zeigen, daß sie nicht ganz vergessen sind. Ich möchte mit ihnen ins Gespräch kommen und dort, wo Palästinenser Apartheit, israelische Besatzer, Soldaten und extremistische Siedler erleben, vom Schicksal vieler einzelner Juden, von ihrer Verfolgung, erzählen, gerade ich als Deutsche mit der Schuld unseres Volkes, und von den Juden, die ich jetzt kennengelernt habe, und die Wege eines friedlichen, gleichberechtigten Miteinanders suchen. Vielleicht kann ich manche ermutigen, in der palästinensisch-israelischen Friedensbewegung aktiv zu werden. Es ist sehr wenig. Ich mußte lernen, daß ich dabei Fehler mache, mißverstanden werde, Geduld und langen Atem brauche und keine abrechenbaren Erfolge vermelden kann. Es ist eine schwierige, aber schöne Aufgabe, bei der ich selbst Lernende bin. |
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