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Erste Mails aus Palästina

Mit mir leben hier zur Zeit 5 Männer, die im letzten Jahr ihr Studium in Abu Dis beendet haben, 3 arbeiten an der Universität in Jerusalem und 2 in einer Firma hier in Abu Dis. Letztere haben ein Monatsgehalt von 600 Dollar, aber die Universität bezahlt sehr unregelmäßig. So ist es nicht einfach, die Leute an der Miete zu beteiligen. Erst war ich betroffen davon, daß so viele Leute hier wohnen, aber inzwischen finde ich es auch ganz gut, weil es die Möglichkeit schafft, mit ihnen etwas zu machen. Daran sind sie sehr interessiert. Ich versuche deshalb auch, die Verantwortung mit ihnen zu teilen. Sie alle hoffen sehr darauf, daß durch meine Anwesenheit Leute, die zu Besuch in Israel sind, auch hierher kommen und mit uns diskutieren und sich für das palästinensische Leben interessieren, und sie wissen sehr genau, warum sie hier - in dem Haus Beit Noah, hospitality for pease - wohnen. Zunächst bin ich selbst aber noch dabei, alles kennenzulernen, Menschen zu begegnen, vertrauter zu werden mit allem. Dabei ist Sibylle natürlich eine wirkliche Hilfe. Gleich in der ersten Woche war ich bei der Familie von Khalil in Halhoul in der Nähe von Hebron für 2 Tage zu Gast. Das war gut für mich, denn so habe ich gleich voll an dem Leben einer palästinensischen Familie teilnehmen können. Er plant jetzt ein "zweites Beit Noah", indem er das Haus seiner Eltern entsprechend großzügig – mit Gästezimmer und separater Toilette - aufstockt. Das ist doch ein schönes Ergebnis seiner Erfahrungen hier. Auch hier in Abu Dis habe ich schon eine Familie kennengelernt mit all ihrer Einfachheit und Gastfreundschaft. Das Besondere war: Da war ein jüdisches Mädchen da, das einen der Söhne der Familie heiraten will. Wir haben zwischenzeitlich eine Party für die hiesigen Freunde von Beit Noah gemacht, und ich habe ein paar Frauen kennengelernt, die seit vielen Jahren hier leben und sich engagieren. Für nächsten Donnerstag planen wir einen Kindernachmittag. Fast jeden Tag kommen Freunde meiner Mitbewohner, und auch das halte ich für wichtig, denn wir kommen miteinander ins Gespräch, und vielleicht hilft es ihnen, wenn sie ihren Frust (im Extrem: "I like the German, because they have killt the Jewry") loswerden, aber es ist, glaube ich, auch wichtig, ihnen zu sagen, daß wir Deutschen mitschuld sind an der jetzigen Situation und manchen extremen Verhaltensweisen der Juden.


Entsprechend dem arabischen Stil wird für Dich eine Matratze im "Boy`sroom" gerichtet für die Nacht, und Du wirst als Gast mit Mengen von Tee (schwarzer Tee mit würzenden Kräutern) oder arabischem Kaffee verwöhnt, und auch das Essen, was die "boys" kochen, ist gut. Gestern war es kalt, aber am Montag - das war der 8.März und internationaler Frauentag - hatte die Universität Feiertag, und wir hatten ein herrliches lunch auf einer Decke unter einem der Olivenbäume. Das geht ganz bequem, weil man hier mit einem Stück Fladenbrot die verschiedenen Speisen- gekochtes Gemüse, Joghurt, Rührei, Rohkostsalat, Pommes Frites oder was auch immer - vom Teller oder aus der Schüssel nimmt, und so braucht man kein Besteck.
Ich hatte hier einen guten Start als "Master of science" in einem technischen Fach, und gerade übe ich mich in Englisch, indem ich die Bibel in Englisch lese 2. die Abschlußarbeit von Hazem lese:"Analysis and digital control of a pressure control system" Hier in Abu Dis ist nämlich der Teil der arabischen Universität von Jerusalem, in dem die Technischen Wissenschaften gelehrt werden, und so habe die Männer, die mit mir wohnen, und ihre Freunde Computertechnik, Physik, Elektronik oder allenfalls Chemie studiert bzw. sind dabei. Diese Technischen Wissenschaften werden in englischer Sprache unterrichtet; deshalb ist die Sprachkenntnis hier recht gut.
Als letztes. Hier erinnert mich viel an DDR-Willkür. Palästinenser aus dem Gazastreifen und der Westbank dürfen nicht oder nur mit Arbeitserlaubnis nach Jerusalem. Da man dort aber umsteigen muß im Bus von einer Richtung in die andere, müssen sie versuchen, die überall errichteten Kontrollen zu umgehen durch Schleichwege.Werden sie erwischt,liegt es an dem jeweiligen israelischen Soldaten, wie er sich verhält. er kann sie eine Zeitlang ...oder länger, je nach dem wie verdächtig sie sind, festhalten oder er verlangt, daß sie Tierstimmen nachahmen oder er schlägt sie. das alles ist schon wirklich demütigend. Und dann passierts, daß ich von einem Studenten gesagt kriege "wir lieben die Deutschen, weil sie die Juden gekillt haben..." oder "...die Juden behaupten, die Deutschen hätten 6 Mill. getötet...aber es waren doch bestimmt höchstens 300 000? Und warum erwarten die Juden noch immer die deutsche Unterstützung deswegen? Die das getan haben, leben doch gar nicht mehr..." Aber im Allgemeinen ist es zur Zeit sehr ruhig hier.

Es ist schon schwierig, weil ich natürlich im Moment noch nur die palästinensische Seite erlebe. Aber ich kann schon verstehen, daß es für die Menschen hier erniedrigend ist, daß sie (die Leute aus der Westbank und dem Gazastreifen) nicht nach Jerusalem hinein dürfen, obwohl z.B. alle Busse aus der einen Richtung dort enden und man dort umsteigen muß in die nächste Richtung. Also fahren sie mit Sammeltaxis, die dann Umwege vorbei an den Kontrollpunkten wählen. Manchmal ändern die Israelis die Kontrollpunkte. Da ist es einem, der mit Freunden unterwegs war, passiert, daß sie aussteigen mußten und der israelische Soldat sagte: Ich werde Euch diesmal nicht festhalten, aber kommt hierher und macht die Tiere nach die Ich Euch sage: Du als Esel, Du als Kuh usw. Die es taten, konnten gehen, die anderen wurden festgehalten. Der junge Mann sagte: ich möchte gern gewaltlos sei, und ich möchte Frieden. Aber das macht mich wütend. Viele waren schon in einem israelischen Gefangenenlager; der Bruder von Hazemist auf der Straße erschossen worden...nicht, weil er eine Gefahr war, sondern weil der Soldat glaubte, daß er eine Gefahr sein könnte. Er war 16. Hazem, der mit hier wohnt, sagt dazu: Ich hasse deswegen die Juden nicht. Ich habe in jüdischen Häusern gearbeitet und wir haben uns gut verstanden, und sie wollen genauso wie wir friedlich leben. Aber diesen einen, da hoffe ich schon, daß Gott ihn am jüngsten Tag fragt, warum er das getan hat.
Ich glaube, es ist die Willkür und es ist die Regierung, die diese Willkür fördert, die die Palästinenser so verärgert und demütigt. Hazem ist jetzt auf Hadsch, d.h. auf dem Weg nach Mekka. Bevor er ging, hat er alles hier sauber gemacht und uns gefragt, welche Bitte er für uns vor Gott bringen kann. Ich mag ihn und die anderen, jeden auf seine Weise.
Jetzt habe ich eine Deutsche kennengelernt, die hier junge Volontäre betreut. Vielleicht können die uns besuchen und damit diese Seite kennenlernen, und vielleicht komme ich durch diese Bekanntschaft auch der jüdischen Seite näher.
Ob es möglich sein wird, Juden selbst zu bewegen, in eine arabische Gegend zu fahren, weiß ich noch nicht. Die haben ja auch schlechte Erfahrungen, Vorurteile und Ängste. Nur: Die Palästinenser dürfen ja nicht zu ihnen, also muß das Haus hier sein. Und vielleicht ist das Hin und Hergehen von Ausländern im Moment die einzige und richtige Form.
Nächsten Donnerstag planen wir einen Kindernachmittag. Vielleicht kann ich eine Veranstaltung über Gewalt und Gewaltlosigkeit organisieren und vielleicht kann Sead, ein Freund dieses Hauses, in einer Veranstaltung über seine Arbeit bei der UN berichten. Ich denke, das wäre auch für junge VolontärInnen interessant.

Ich beginne jetzt, mich hier einzuleben. Aber es ist nicht ganz einfach, weil ich die Mentalität der Menschen hier nicht genug kenne - und weil ich kein arabisch spreche, und englisch verstehe ich zwar viel, aber mit dem Sprechen haberts oft. Ich lebe in Abu Dis, das ist ein Vorort von Jerusalem und eine reine Palästinensersiedlung. Mit mir leben z.Zt. 5 junge Palästinenser, die gerade ihr Studium beendet haben und z.T in der arabischen Universität von Jerusalem, z.T. in einem Betrieb arbeiten, aber ihr Verdienst ist nicht gut. 5 sind für diese Wohnung eigentlich zu viel - insbesondere in Anbetracht der Tatsache, daß es ein für Gäste offenes Haus sein soll. Aber sie sind alle auf ihre Art sehr lieb und interessiert an dem Haus. Und ich konnte dadurch sehr schnell hineinkommen in die hiesigen Probleme und mit allen möglichen jungen Leuten diskutieren. Jehad, einer der Mitbewohnner, bastelt jetzt an einer Homepage. Dann könnt Ihr uns im Internet sehen.Ich war deshalb gestern mit ihm im Westteil Jerusalems bei Sibylle, einer Deutschen, die seit vielen Jahren hier lebt und sehr enge Beziehungen zu Beit Noah hat. Das ist für Jehad eigentlich nicht erlaubt, weil die Israelis diesen Bereich als ihren betrachten und er ein Visum bräuchte. Er hat getan, als ginge es ihn nichts an, aber ich habe schon gemerkt, wie er sich bemühte, nicht aufzufallen, den Bus nicht zu benutzen, und er hat mich halt auch gefragt, wie ich mich verhalten würde, wenn Israelis uns kontrollieren und ihn auffordern, mitzukommen. Dann allerdings hat er auch festgestellt, daß er besser dran ist als die Israelis, die Angst haben, angegriffen zu werden, und deshallb Palästnersiedlungen meiden. Dabei sieht man im Gedränge der Altstadt, daß im Alltag beide gut miteinander auskommen, und ich glaube, das Problem für die Palästinenser hier sind nicht Juden oder Israelis, sondern es ist die Okkupation...erst durchs osmanische Reich, dann durch die Engländer, durch Jordanien und letztlich durch Israel.

Spenden:
Ökumenischer Dienst im Konziliaren Prozeß e.V. (OeD)
Kt-Nr. 10 090 3736, BLZ 523 600 59 bei Waldecker Bank e.G.
Verwendungszweck: Beit Noah (bitte Absender für Spendenqittung fürs Finanzamt deutlich schreiben)


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